Besuch der Zeitzeugen an der BS Oberhessen in Büdingen.

Hintere Reihe von links: Zeitzeuge Mieczyslaw Grochowski, Dr. Christoph Krauss (Bistum Mainz), Schulleiter Alexander Popplow, Schulpfarrerin Geeske Ballhorn, Vorne von links: Kollegin Sonja Huth, zwei Übersetzinnen, Zeitzeugin Josefa Posch-Kotyrba, eine Übersetzerin, Zeitzeuge Mikolaj Sklodowski

Ein bewegender Vormittag für fast 200 Schülerinnen und Schüler: Drei Zeitzeugen waren in Büdingen zu Besuch und erzählten ihre Lebensgeschichte: Jozefa Posch-Kotyrba, Mieczyslaw Grochowski und Mikołaj Skłodowski stammen alle gebürtig aus Polen und sind als Kinder mit ihren Familien zu Opfern der Nazis geworden.

Mikołaj Skłodowski wurde gar im KZ Ravensbrück, in dem seine Mutter, seine Tante und seine Grossmutter inhaftiert waren, geboren. Mieczyslaw Grochowski war mit seiner ganzen Familie im Arbeitslager Lebrechtsdorf-Pulitz interniert und erlebte die furchtbarsten, menschenunwürdigen Verhältnisse, Angst, Krankheit und Hunger. Sein Vater überlebte das Lager nicht. Jozefa Posch-Kotyrbas Vater war ein Untergrundkämpfer gegen die Nazis. Die ganze Familie wurde 1943 verhaftet, getrennt und in unterschiedliche Lager gebracht. Die Nazis erschossen ihren Vater, die Mutter starb in Auschwitz. Die Kinder kamen ins Lager Lebrechtsdorf-Potulitz und mussten Zwangsarbeit leisten.

Zeitzeuge Miecyslaw Grochowski erzählt von seinen Erlebnissen

Mit insgesamt 10 Klassen, verteilt auf drei Räume, hörten die Schülerinnen und Schüler den Zeitzeugen zu, die lebendig und mit Präsentationen von ihrem Leben und den Umständen der Nazi-Diktatur erzählten. Sie erzählen ihre Geschichten schon seit Jahren in Schulen, und trotz ihres hohen Alters ist es ihnen ein Herzensanliegen, auch in Deutschland davon zu erzählen und möglichst vielen Schülerinnen und Schülern einen echten, direkten Einblick zu geben.

Zeitzeugin Jozefa Posch-Kotyrba mit ihrer Übersetzerin berichtet den Schülerinnen und Schülern von ihren Eltern und ihren Geschwistern

Besonders angesichts vieler aktueller Kriege und Konflikte auf der Welt, des wachsenden Hasses, Rassismus und Antisemitismus erzählen sie auf persönlichste Art und nutzen ihre Geschichten, um dem Hass zu wehren und um ein Beispiel zu geben, wohin Antisemitismus, Rassismus und Hasse letztendlich führen können.

“Sie wollen den Schüler:innen vermitteln, dass Frieden und Demokratie gefährdet sind, und dass man sich dafür engagieren muss, um sie zu erhalten”, heisst es in einer Pressemitteilung des Bistums Mainz, das zusammen mit dem Maximilian-Kolbe-Werk die Zeitzeugenbesuche unter der Leitung von Dr. Christoph Krauß organisiert.

Und diese Botschaft kommt an: tiefbewegt kommen die Schülerinnen und Schüler aus den Vorträgen, nachdem sie fast zwei Stunden konzentriert zugehört haben. “Ich hatte Tränchen in den Augen”, sagte eine Schülerin. “Ich konnte endlich alle meine Fragen stellen”, sagt eine andere. Im Wissen, dass es vielleicht die letzte Gelegenheit ist, eine solche Geschichte live zu hören, nutzen alle die Gelegenheit dazu. Es macht einen grossen Unterschied, eine Dokumentation im Fernsehen zu sehen oder die Geschichte direkt von jemandem zu hören, der diese Zeit erlebt hat. “Sie geben der Geschichte ein Gesicht”, sagte Schulleiter Alexander Popplow bei der Begrüssung der Zeitzeugen in der Schule, und betont, dass die Erinnerungsarbeit an der BS Oberhessen Priorität hat. “Die Schule schätzt sich glücklich und ist dankbar, dass die Zeitzeugen die BS Oberhessen schon seit Jahren besuchen”, sagt Schulpfarrerin Geeske Ballhorn, die den Besuch von Schulseite aus organisiert.

Im Nachgang ist der Gesprächsbedarf der Schülerinnen und Schüler gross: viele sind erschüttert, manche verwundert, wie Menschen angesichts solcher Erfahrungen weiterleben können und sogar davon bewusst erzählen. Sie haben grössten Respekt vor den Zeitzeugen und manch einer hofft, sie im nächsten Jahr erneut an der Schule treffen zu können.

Geeske Ballhorn, Schulpfarrerin