Zum zweiten Mal nach der Corona-Pause konnte die Berufliche Schule Oberhessen nun wieder mit mehreren Klassen in die Gedenkstätte Buchenwald fahren.
Zwei Tage lang haben wir uns die Gedenkstätte angehen: den Bahnhof, an dem die Häftlinge ankamen, den Ort, wo die Munitionsfabrik stand, den „Bunker“ im Eingangsgebäude und das eigentliche KZ, auf dem heute nur noch eine der Baracken steht, mit dem Krematorium. Das Gelände ist weitläufig und erstreckt sich über den ganzen Hang. Man sieht die Reste der Baracken, die Reste des „Kleinen Lagers“, die Zäune und den Postweg, die das KZ-Gelände umgeben.
Es ist ein leiser Ort, und in diesem Jahr war es auch ein sonniger Ort an dem eigentlich kalten Nordhang des Ettersberges, oberhalb von Weimar.
Und doch ist es kein leiser Ort, sondern ein sehr lauter Ort, weil die Steine schreien vom Leid der Menschen, die hier misshandelt und gedemütigt wurden und von denen so viele hier gestorben sind.
Es ist laut, denn dieser Ort schreit: Gewalt, Not, Verzweiflung, Krankheit, Hunger, Unrecht, Ausgrenzung, Demütigung, Tod.
Diesen Widerspruch auszuhalten, ist in Buchenwald immer schwer. Der Ort ist voll von Erinnerungen an die 277.800 Inhaftierten, von denen 56.000 Menschen Buchenwald nicht überlebten.
Nicht nur die Erinnerung an die Opfer ist schwer, sondern auch die Erinnerung an die Täter: diejenigen, die mit viel Verantwortung dieses System getragen und gestützt haben, und die, die kleine Rädchen im System waren, die weggeschaut und geschwiegen haben, die sich entschieden haben, nicht gegen das Unrecht aufzustehen.
In der Ausstellung wird die schreckliche Vergangenheit wieder lebendig, bekommen die Opfer ihre Würde wieder, indem ihre Gesichter gezeigt und ihre Geschichten erzählt werden. Alltägliche Gegenstände sind dort ausgestellt, von der Häftlingskleidung über Dokumente bis hin zu Essgeschirr und Schuhen.
Auch die Geschichte der Befreiung Buchenwalds durch amerikanische Soldaten am 11.4.1945 wird erzählt, und die Konflikte mit der Bevölkerung in Weimar:
„Wie haben es nicht gewusst!“, haben die einen gesagt, und die Häftlinge haben ihnen nach der Befreiung Buchenwald entgegen geschrien: „Ihr habt es gewusst. Wir haben neben euch in den Fabriken gearbeitet. Wir haben es euch gesagt und dabei unser Leben riskiert. Aber ihr habt nichts getan.“
Den Überlebenden wird der Satz zugeschrieben: „Heute sind wir frei!“. Für sie galt das in besonderer, existentieller Weise.
Für uns heute gilt das „Heute sind wir frei“ nochmal ganz anders: wir sind frei, uns zu erinnern und daraus zu lernen. Wir sind frei, Verantwortung zu übernehmen für das Wohl der Menschen und uns gegen jede Unterdrückung und Ausgrenzung zu wehren. Deshalb fahren wir als Schule nach Buchenwald.
Geeske Ballhorn, Schulpfarrerin der BSO